Die Welt ist scheiße. Nein wirklich. Ich finde die Welt scheiße. Alles ist schlecht. Könnte man so sagen.
Ich informiere mich über Instagram und YouTube. Ich führe Debatten auf Twitter. Ich gucke Kriegsvideos auf TikTok und erzähle meinen Freunden davon auf WhatsApp. Ich streite mit meinen Eltern über Politik. Ja, ich bin politisch und ein Kind meiner Generation. Und grenze mich von allem Schlechten ab.
Ich rege mich auf Twitter auf, über Michael Wendler, Donald Trump oder Julia Klöckner, verfasse wütende Postings gegen Putin. Ich rege mich über die überholten Werte der ganzen Schulleitung auf, wenn die Schulleiterin Regenbogenfahnen abhängt, habe ich gehört.
Ja man Sollte mal was tun. Da müsste man echt mal was ändern.
Doch hinter all dem stelle ich mir eine Frage: Warum?
So tiefer darüber nachdenkend frage ich mich, was denn meine Zielsetzung des Ganzen ist. Was möchte ich denn erreichen? Alle meine gesetzten Ziele sind gegen etwas. Kann ich die Welt mit Hammer und Brecheisen aufbauen? Nein. Im Nachdenken komme ich zu meinem Schluss. Wir sollten weniger gegen Dinge sein und mehr für Dinge, mehr nach Gemeinsamkeiten als nach Unterschieden suchen. Ich glaube es gibt für jedes vernünftige Anliegen gegen etwas ein entsprechendes für etwas.
Ich bin nicht gegen Kohle, ich bin für erneuerbare Energien. Ich bin nicht gegen das Patriarchat, ich bin für Gleichberechtigung. Und damit meine ich bis zu einem gewissen Punkt das Gleiche, drücke aber inhaltliches Interesse und Konstruktivität aus. Es ist einfach, gegen das alte, gegen das böse, gegen „die da oben“ zu sein. Aber wenn man das tut, ohne sich für etwas einzusetzen, niederzutreten, statt einzutreten, dann unterscheidet man sich von all den Lügenpresse-Hasspredigern vielleicht in der Validität der Anliegen, nicht aber in der Konstruktivität und Produktivität der Debatte. Dagegen ist per Definition destruktiv. Und dafür konstruktiv. Und damit meine ich nicht, dass man nicht gegen etwas sein darf. Aber ich glaube, dass die sinnvollere Beschreibung immer die für die Alternative als die gegen das Alte ist. Ich beschreibe einen Apfel auch nicht, indem ich sage „Nicht weiß“ und dann „Nein, pink auch nicht!“. Früher oder später muss die Frage sein, welche Farbe er hat, nicht welche er nicht hat.
Wir sind Teil einer Demokratie. Demokratie lebt von Partizipation. „Jeder der die Welt nicht ändern will […] unterschreibt ihr Todesurteil“ (die Ärzte – Deine Schuld). Es ist richtig und wichtig falsches zu kritisieren. Aber ich glaube, man sollte dies tun, indem man sich für etwas ausspricht, eine echte Alternative anbietet, anstatt mit Äxten und Mistgabeln alles Alte niederzumähen und dann nichts Neues zu errichten. Und ich glaube, dass jedes Ablehnende was man nicht anders als positiv für etwas Anderes formulieren kann, per Definition falsch ist. Denn wenn ich nur gegen etwas bin, ohne eine Alternative zu bieten, verhalte ich mich destruktiv und habe mich mit einem Thema nicht tief genug auseinandergesetzt, um eine Meinung zu haben. Dann bin ich entweder Mitläufer oder nur am Dagegensein interessiert, ohne etwas Neues schöpfen zu wollen. Und das ist kein konstruktives Leitmotiv, damit zeige ich Unsachlichkeit und disqualifiziere mich für jede inhaltliche Debatte.
Ich glaube, es ist manchmal gut und wichtig, ein altes Gebäude abzureißen. Aber dann immer mit dem Plan, dort ein neues zu errichten; das Alte zu ersetzen. Aber niemand reißt ein Haus ein und geht dann weg und lässt die Trümmer liegen. Also warum sollten wir uns in der Debatte so verhalten? „Was sie lähmt, ist die Ansprache. »How dare you« statt »I have a dream«.“ – (Juli Zeh – Über Menschen)
In diesem Sinne:
Ich bin nicht gegen Russland oder Putin im aktuellen Angriffskrieg. Ich würde Putin alles Land der Welt gönnen. Aber dummerweise gehört das entsprechend besetzte Gebiet schon jemand anderem wie alles sonst auf der Welt. Die Freiheit eines jeden einzelnen endet, wo die des nächsten anfängt. Putin darf meinetwegen über so viel Land bestimmen, wie er will; aber nicht über Menschen, egal ob aus seiner, oder einer anderen Nation. Ich bin nicht rachsüchtig gegenüber Putin, dass ich ihm Negatives wünschen würde. Aber bevor er andere Menschen umbringt, wünsche ich ihm, dass der KGB versehentlich den falschen, bzw. richtigen trifft, denn das Recht eines Einzelnen endet mit dem Beginn des nächsten und wer im Unrecht ist, hat nachzugeben.
Und ja, das ist ein hartes Beispiel, was ich hier gewählt habe. Aber Ich will eines aufzeigen. Man sollte niemandem etwas Negatives wünschen, aber manchmal ist die Konsequenz aus dem einen positiven Wunsch ein anderer negativer Wunsch und das ist auch richtig so. Und trotzdem glaube ich, dass die einzige Begründung für einen negativen Wunsch dieser andere positive Wunsch sein darf. Und deshalb bin ich gegen das gegen und für das für.