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Liebe Christengemeinde, 

es ist wohl kein Geheimnis, oder jedenfalls mache ich keines daraus, dass ich in meiner religiösen Praxis eher die traditionellen Formen, die mir seit Kindheit vertraut sind, schätze und auch praktiziere, z. B. Rosenkranz beten oder auch die ewige Anbetung vor dem Allerheiligsten. Letztere findet jeden Freitag ab 17.15 Uhr in der Liebfrauenkirche in Darmstadt statt. Und ich bin froh, dass es noch so etwas gibt. Zum einen gehe ich wirklich davon aus, dass Gott in der Stille zu erfahren ist, so wie es ja auch Elija am Horeb erfahren hat (vgl. 1 Kön 19). Zum anderen ist es gute katholische Tradition und zum Dritten merke ich, dass ich selber auch die Stille brauche: nach einer Schulwoche, in der alle möglichen Leute ständig was von mir wollen und mir versichern, es sei alles von großer Wichtigkeit und Bedeutung, versuche ich, wann immer es mir möglich ist, wenigstens eine halbe Stunde vor dem Allerheiligsten zu verweilen und nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich zur Ruhe zu kommen. Die Kirche sollte darum vorrangig ein Ort der Stille sein. Dass sich einige Christen davon provoziert fühlen, wenn es dort plötzlich laut wird, kann ich deswegen nachvollziehen. (Davon abgesehen waren Kirchen in der Vergangenheit nie nur reine Gottesdiensthäuser, wie z. B. Gemälde aus dem 17. Jahrhundert aus den Niederlanden beweisen. Oder, wenn sie die Darmstädter Synagoge besuchen, dann ist sie sowohl Gottesdienstraum als auch Gemeindesaal.) 

Was ich aber nicht nachvollziehen kann ist, wenn einige davon reden, dass die Kirche durch Technobässe und Lasertechnik entweiht würde und dass sie das Ganze verurteilen. Davon sollten wir Abstand nehmen, Verurteilungen gab´s in der Kirchengeschichte schon genug und so laut war´s nun auch wieder nicht. 

Foto des Raves in der Liebfrauenkirche mit Lichtshow und mit dem Beamer eingeblendetem Bibelvers

Eher ist zum Ravegottesdienst in Liebfrauen in der Nacht der Kirchen zu sagen: Warum denn in Gottes Namen nicht? Die Ausdrucksformen des Glaubens ändern sich nun mal, neben traditionelle treten neuere, andere verschwinden vielleicht oder werden weitertradiert. So ist z.B. das Herz-Jesu-Fest nicht mehr so präsent, wie es eigentlich vorgeschrieben ist und dass, obwohl der jüngst verblichene Papst der Herz-Jesu-Verehrung sogar eine ganze Enzyklika gewidmet hat („Dilexit nos“). Warum denn nicht auch mit Ekstase um den Altar tanzen? Ekstase und Tanz sind seit Urzeiten archetypische religiöse Bedürfnisse und Ausdrucksmittel, in manchen Religionen heute noch sehr intensiv praktiziert, wie z.B. bei den tanzenden Derwischen, die sich regelrecht in Trance drehen. Wir Menschen sind, laut katholischem Erwachsenenkatechismus, nun einmal so veranlagt, dass wir unsere Haltungen und Überzeugungen auch körperlich zum Ausdruck bringen wollen und können. 

Insofern täte etwas Entspannung sicherlich gut. Die Kirche wurde auch nicht entweiht, wie einige Leute unken. Nein, die Leute tanzten um den Altar, wie damals Moses und Mirijam nach dem Auszug aus Ägypten, d. h. sie tanzen eigentlich um Jesus Christus herum. Er selber befindet sich in einem „ständigen Tanz“ innerhalb der Trinität (sog. Perichorese). So haben es die drei Kappadokier ausgedrückt, als sie das Verhältnis zwischen Vater, Sohn und heiligem Geist beschreiben wollten und deswegen passt der Tanz wunderbar in dieses heilige Jahr, dass uns nicht nur alle in Rom zusammenführen will, sondern auch zum Gedenken an das Nizänum anregen möchte, dessen Gedenktag wir am 19. Juni zum 1700ertsten Male begehen. 

Wenn Sie wissen wollen, wann Gotteshäuser wirklich entweiht wurden, dann nehmen sie bitte die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „Christ in der Gegenwart (CiG) “ zur Hand. Dort ist die Rede von über 300 Delikten und Anschlägen auf Kirchen allein im vergangenen Jahr. Dort wird u. a. berichtet von Urin im Weihwasser, Fäkalien im Beichtstuhl, angezündeten Bibel o.ä. Und das z.B. auch in Mainz. Genauso zugenommen haben Attacken auf Synagogen und Moscheen. (vgl. CiG Nr. 24/2025, S. 2). Dagegen wäre es notwendig, etwas zu unternehmen aber nicht, wenn einige Jugendliche in der Kirche tanzen wollen. So könnte man z.B. in den Kirchen beten - was für ein sensationeller Vorschlag – in der Kirche beten, ist das die Möglichkeit!! (oder wahlweise tanzen) und so dauerhaft Präsenz zeigen, dann würden solche unschönen Dinge wenigstens eingedämmt werden, wenn es schon hohle Zeitgenossen gibt, die meinen, sie müssten ihrem Religionshass wiederum auf diese Weise Ausdruck verleihen. 

Und wenn ich dann Sonntags in der Messe bin und in dieser großen Basilika „Liebfrauenkirche“, die eigentlich für über 350 Leute ausgelegt ist, sehe, dass von den Erstkommunionkindern der letzten Jahre bis auf einige Ausnahmen die man an drei Fingern abzählen kann, und wenn ich dann sehe, dass dort ca. 40-50 Leute verstreut sitzen und man den Gesang kaum hört, weil sich das Lied verflüchtigt, so wie die Gottesdienstbesucher nach der Messe und wie das Petersplatzecho des hl. Vaters, dann wünschte ich mir, es wäre dort soviel „Leben in der Bude“, wie am Abend des 13. Juni 2025 – ein schöner Tag, der übrigens dem heiligen Antonius gewidmet ist. Deswegen an dieser Stelle nachträglich herzlichen Glückwunsch zum Namenstag an alle Träger dieses Namens. (Den „Anton aus Tirol“ hätte man ja gestern auch noch spielen können, es gibt auch eine Technoversion.) Eine Statue des Heiligen steht auch in der o.g. Kirche. Ihm hätte der Tanz sicherlich auch gefallen, denn die erfolgreichsten religiösen Erzieher waren z.B. Filippo Neri oder Giovanni Bosco, also Leute, die auch mit Humor die „Freude am Glauben“ (Ratzinger) vermittelt haben. Können Sie sich, könnt ihr Euch z.B. eine Prozession in Italien oder Spanien oder die Echternacher Springprozession oder die Palmsonntagsprozession im Eichsfeld ohne Bewegung und Freude vorstellen? Wohl kaum. Denn wie sagte schon Martin Luther: „Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz.“ 

Deswegen noch einmal mein Apell zu mehr Entspannung und gegenseitiger Toleranz. Jesus würde vielleicht dazu sagen: „Im House meines Vaters gibt es viele Wohnungen“ (vgl. Joh 14, 2), d.h. es gibt viele Möglichkeiten, den Glauben auszudrücken, also lasst die Leute doch feiern. 

Aber man kann mit Fug und Recht feststellen: es war eine gelungene Veranstaltung, auch wenn ich nur kurz dort verweilte und auch, wenn ich nicht auf diese Weise meinen Glauben zum Ausdruck bringe: drinnen wurde zu Bibelversen getanzt, draußen wurde Rosenkranz gebetet. Beides ist doch schön, es muss nur die Intention „ad maiorem gloriam dei“ stimmen, wie der heilige Ignatius von Loyola sagen würde. 

Und das muss für heute genügen, ich merke, ich verplaudere mich. Ich wünsche allen ein schönes Dreifaltigkeitsfest morgen und am Donnerstag einen gesegneten Fronleichnamstag mit Prozession und Bewegung. 

David Holluba