Losgetreten wurde das alles durch die Information, die so an uns SchülerInnen getragen wurde: Die Schulleitung/Schulleiterin habe das Aufhängen von Regenbogenflaggen im Klassenraum untersagt und diese abhängen lassen. Persönlich wäre ich gar nie auf die Idee gekommen, diese im Klassenraum aufzuhängen, allerdings fände ich in dieser Situation das Verbieten höchst kritisch. Was uns noch mitgeteilt wurde war, dass die Schulleiterin dies damit begründet habe, dass alle Werte ja schon im Kreuz vertreten seien.
Diese Aussagen haben in mir, sowie auch in vielen anderen SchülerInnen, zuerst hohen Widerstand erregt, auch weil wir diese Informationen verarbeitet durch eine Lehrkraft bekommen haben, die jegliche Form der nicht-Heterosexualität als Sünde gegen die Bibel und das Christentum ablehnt und das auch so darstellt. Drei Mitschülerinnen meines Jahrgangs haben deshalb, während in meinem Jahrgang schon die kleine Rebellion losbrach, Kontakt mit der Schulleitung aufgenommen, und die erste große Plenumsdebatte mit der Schulleiterin in der großen Halle organisiert.
Wie sich schnell herauskristallisierte war die Situation eine andere, als die Mund-zu-Mund-Propaganda dargestellt hatte, die Schulleiterin hatte das Aufhängen von Fahnen zwar nicht befürwortet, aber erstens nicht um die betroffenen Schüler zu entwürdigen, sondern weil es Kinder in den betroffenen Klassen gibt, auf die das triggernde Wirkung haben könnte und sie hat es zweitens auch nicht proaktiv untersagt, sondern eher davon abgeraten (und das nicht, weil es einzelne damit unzufriedene, konservative Eltern gab, denen man nachgegeben hätte, oder gar, weil man Homosexualität als solche ablehnt!) Ihre Argumentation (ohne sie jetzt genauer wiedergeben zu können) schien mir nachvollziehbar und vor allem ehrlich und nicht, wie es so oft ist, aus der Luft gegriffen und vorgeschoben.
Viel interessanter ist noch, was diese Debatte ausgelöst hat. Die Frage, die wir uns gestellt haben ist, für welches Welt- und Menschenbild wir als Schule eigentlich stehen und welches Bild wir wie davon vermitteln wollen? Mit „wir“ meine ich erstmal meinen Jahrgang (die Q3) und die E1, die später dazugestoßen ist, sowie die sehr engagierte Schulleiterin und einige Lehrer, die sich eingebracht haben.
Es gibt aktuell seid dieser Debatte regelmäßige Treffen zwischen Schulleitung und uns, wo wir einmal genau über diese Frage diskutieren und nach Lösungen suchen, aber die wir auch ganz generell als regelmäßige Treffen zum besprechen und reflektieren und lösen aktueller Themen beibehalten wollen.
Ich finde diesen Diskurs eine großartige Neuerung und hoffe, dass auch nachdem wir unser Abitur gemacht haben und die Schule verlassen werden, sich neue, interessierte SchülerInnen finden, die dieses Forum weiterführen und weiter aufbauen wollen, denn ich halte diese Möglichkeit der Modernisierung, gerade an einer Schule mit so vielen Vorurteilen der extremen Konservativität, wie unserer, für Extrem Wertvoll.
Nicolas Schmidt, Tutorium 12g, Physik