In den Wochen zwischen Herbst- und Weihnachtsferien hat sich an unserer Schule ein Gesprächskreis aus Oberstufen-Schüler*innen und mir, sowie Frau Modricker-Köhler und Herr Dr. Mühlum etabliert. Wir haben uns bisher dreimal getroffen und uns bei unserem letzten Treffen vorgenommen, mal aus den unterschiedlichen Perspektiven zu berichten, warum wir uns treffen, was wir besprechen, und wie wir den Weg dorthin jeweils erlebt haben.
Für mich als Schulleiterin begann alles mit Rückmeldungen aus Familien einer 8. Klasse, die berichteten, dass in der Klasse ihrer Kinder eine Pride-Flag als Wandbehang aufgehängt wurde, sich ihre Kinder damit aber nicht identifizieren, gleichzeitig jedoch große Hemmungen haben, sich unbefangen kritisch zu diesem Wandschmuck zu äußern.
Ich räume freimütig ein, dass ich persönlich mit den Regenbogenfahnen (Pride Flags) wenig Emotionen verbinde. Genauso unbefangen habe ich mich hier innerhalb des Schulleitungsteams insofern positioniert, als dass ich eine Beflaggung jedweder Art in Schulen als öffentlichen Räumen schwierig finde, und der vorliegende Fall ja auch zeigt, dass der damit suggerierte Konsens oftmals in den Gruppen gar nicht existiert.
Nach einem Gespräch mit der Klassenlehrerin, die mir nachvollziehbar den Meinungsbildungsprozess innerhalb der Klasse darstellen konnte, habe ich Mitte September mit der Klasse gesprochen und in diesem Zusammenhang einerseits darum gebeten, die Neutralität der Klassenräume ernst zu nehmen und zu bewahren und habe dann meine persönliche Meinung geäußert, dass für mich in der Botschaft des Kreuzes, so wie ich sie verstehe, alle Aspekte von bedingungsloser Akzeptanz und Zuwendung anderen Menschen gegenüber enthalten sind.
Für mich war das Thema damit erledigt. Ich war zu diesem Zeitpunkt nicht auf den Gedanken gekommen, dass man diese Bitte um Neutralität als ein Bekenntnis gegen das Pride-Anliegen missverstehen könnte. Was ich auch nicht absehen konnte – vielleicht auch weil mir das Thema nicht so nah ist – war, wie sich diese Geschichte über verschiedene Wege verbreitete und dabei leider auch stellenweise missverstanden und verfälscht wurde.
Zum Glück sprachen mich nach den Herbstferien drei Schülerinnen der Jahrgangsstufe Q3 an und fragten, ob ich zu einem klärenden Gespräch bereit wäre. Bei dieser Gelegenheit hörte ich zum ersten Mal von den Gerüchten und Legenden rund um den Vorgang in der 8. Klasse!
Ein erstes Treffen mit der gesamten Jahrgangsstufe diente vor allem dazu, die angesprochenen Missverständnisse und Verfälschungen klarzustellen.
Was mir dabei deutlich geworden ist: Wie spannend es ist, mit jungen Menschen über die Themen zu sprechen, die diese in höchstem Maße interessieren und bewegen. Naturgemäß sind das, wenn man den Altersunterschied berücksichtigt, nicht zwingend dieselben Themen, die mich oder meine Kolleg*innen umtreiben. Da wir aber Schule für Kinder und Jugendliche gestalten wollen, ist es absolut notwendig, Interesse für das zu zeigen, was diese bewegt.
Ich empfinde es als großes Geschenk, dass eine beträchtliche Anzahl der Schüler*innen der Jahrgangsstufe Q3, mittlerweile auch der E-Phase oder meine 9. Klassen mir so viel Vertrauen entgegenbringen, dass sie sich zu diesem sensiblen Thema ehrlich äußern und auch den Mut haben, Missstände oder Intoleranz zu benennen.
Natürlich legen diese Menschen den Finger in eine Wunde. Mein Selbstverständnis – nicht nur als Christin, sondern auch als Schulleiterin – ist natürlich ein solches, dass angstfreie Kommunikation und ein Miteinander von Mensch zu Mensch (unabhängig von der Tatsache, dass wir Lehrkräfte die fachlichen Leistungen zu bewerten haben) die Grundvoraussetzung für ein gelingendes Schulleben ist.
Beim zweiten Treffen fanden sich insbesondere die Schüler*innen der Q3 ein, die an dem Thema „Botschaft der Pride Flag“ und wie wir sie in unserer Schule (nicht anonymisiert sondern persönlich) zur Geltung bringen können, besonders interessiert sind. Im dritten Treffen schlossen sich weitere Schüler*innen der E-Phase an, informiert und motiviert durch ihre Religionslehrkräfte aus dem Pastoral-Team.
Ich habe in den vergangenen Monaten so viel dazu gelernt. Zum einen rein thematisch, da ich mich intensiv mit Begrifflichkeiten, Selbstverständnis und Anliegen etwa der LGBTQ+-community, und auch der Haltung etwa unseres Bischofs zu diesen Fragen auseinandergesetzt habe. Aber eben auch darüber, wie junge Menschen heute denken und kommunizieren, wie sie sich Meinungen bilden, was dabei schief gehen kann, was dabei aber auch außerordentlich produktiv ist.
Es ist ein zentraler Wunsch meinerseits als Schulleiterin dieser Schule, diesen Gesprächskreis dauerhaft zu etablieren. Ich bin sicher, es gibt neben diesem Thema der Pride Flags zahlreiche weitere Themen, die junge Menschen umtreiben und bei denen es ein Interesse für echten Austausch gibt. Für uns als die Erwachsenen, die euch unterrichten, erziehen und begleiten, kann es nur von Vorteil sein, zu wissen, für was, wo und wie euer Herz schlägt.