Hallo zusammen,
ich hatte das Glück, einen Großteil meines 10. Schuljahres auf einem Segelschiff zu verbringen und zweimal den Atlantik zu überqueren. Zusammen mit 43 anderen Jugendlichen, sechs PädagogInnen und zehn weiteren Besatzungsmitgliedern habe ich sieben Monate im Rahmen des Projekts High Seas High School auf dem Großsegler „Gulden Leeuw“ und in Mittelamerika verbracht.
Seit vier Wochen bin ich wieder zurück in Deutschland und an der Edith-Stein-Schule.
Es wird schwer sein, all meine Erlebnisse, Erkenntnisse und Gewinne der Reise in Worte zu fassen. Dennoch möchte ich jetzt einmal meine letzten 7 Monate Revue passieren lassen.
Unser erster Halt war nach ca. eineinhalb Wochen in La Coruna im Norden Spaniens, wo wir wegen eines großen Sturms, der sich in der Biskaya aufgestaut hatte und uns vor dem Weiterfahren hinderte, eine einwöchige Pause einlegten.
Danach ging es weiter in Richtung Süden nach Lissabon, wo wir wegen des gleichen Sturms für ein paar Tage anlegten.

Nach ein paar sehr amüsanten und schönen Tagen in Lissabon ging es weiter auf die kanarische Insel Teneriffa. Auf Teneriffa verbachten wir eine tolle Zeit. Eine Nacht übernachteten ein paar andere und ich an einem Strand mit ein paar Hippies, die dort in Höhlen leben und uns die abgefahrensten Geschichten erzählten.

Nachdem wir uns von Teneriffa verabschiedet, Klarschiff gemacht und fertig proviantiert hatten, brachen wir dann auf zur Atlantiküberquerung. Die Atlantiküberquerung dauerte fast drei Wochen (ehrlich gesagt hab ich da zwischendrin mein Zeitgefühl einfach verloren und weiß es deswegen auch nicht mehr genau). Auf der Atlantiküberquerung hatten wir einen geregelten Alltag mit Unterricht, Wache, Putzdiensten usw. Ein großes Highlight der Atlantiküberquerung war für mich der unglaublich tolle Sternenhimmel, den es nachts bei T-Shirt-Temperaturen gab. Manchmal haben wir alle Lichter auf dem Schiff ausgeschaltet und Ewigkeiten einfach nur in die Sterne geschaut.

Irgendwann kamen wir dann endlich auf der anderen Seite des Atlantiks an: die Karibikinsel Martinique! In Martinique sind wir bei Sonnenuntergang mit dem Lied „He`s a pirate“ von Fluch der Karibik eingelaufen und haben in einer großen Bucht geankert. In den nächsten eineinhalb Wochen haben wir Islandhopping betrieben. Das heißt wir sind von Norden nach Süden die karibischen Inseln entlanggefahren und haben jeden Tag eine andere besucht (manchmal auch zwei Tage lang dieselbe). Nachts haben wir unsere Hängematten auf dem Deck verteilt und draußen geschlafen und tagsüber die Inseln erkundet. Zwischendurch hatte ich auf St. Lucia Geburtstag. Auf unserer letzten karibischen Insel, Grenada, machten wir etwas länger Halt und machten einen Tauchkurs, hatten Zeit, uns von der anstrengenden Atlantiküberquerung zu erholen und konnten die Insel frei erkunden. Auf Grenada feierten wir auch Weihnachten.


Am 25.12., dem zweiten Weihnachtsfeiertag, hieß es: Leinen los und auf nach Panama! Nach zehn Tagen wachte ich irgendwann auf und wollte frühstücken gehen, als ich durch die Bullaugen nur riesige Frachtschiffe sah. Wir waren nämlich im Panamakanal angekommen. Genauer gesagt am Anfang des Panamakanals. Das war echt beeindruckend. Im Wasser waren Wracks, die nur halb zu sehen waren und die Frachter waren so groß, wie Hochhäuser. Im Gegensatz dazu waren wir mit unseren 40 Meter hohen Masten winzig. Die nächsten zwei Tage war aufräumen und packen angesagt. Wir verließen nämlich das Schiff für einen Monat. Nach den zwei Tagen ging es dann los. Wir verabschiedeten uns von der Segelcrew, die wir aufgrund von Wechseln innerhalb der Crew teilweise nie wieder sehen würden und gingen dann mit unseren riesigen Rucksäcken zum Bus, der schon auf uns wartete. Mit „wir“ ist in dem Fall nur die Hälfte der SchülerInnen und LehrerInnen gemeint, weil die gesamte Gruppe schon vorher aufgeteilt worden war. Meist per Bus fuhren wir dann durch Panama hoch nach Costa Rica, wo wir die Pazifikküste entlangreisten. Mal campten wir und mal übernachteten wir in Hostels. Wir waren in den Bergen, im Dschungel und am Meer. Nach einer Woche endete unsere Tour in einem kleinen, etwas höher gelegenen Dorf, in Longo Mai. Da trafen wir auch wieder auf die andere Hälfte unserer Gruppe und wurden jeweils zu zweit einheimischen Gastfamilien zugeteilt. In diesen Gastfamilien in Longo Mai verbrachten wir die nächsten zwei Wochen. Wir halfen bei der Zuckerrohr-und Kaffeeernte, lernten, selbst Kakao zu machen, nahmen an einem Dschungelmarathon teil und vieles mehr.

Nach zwei Wochen mussten wir dann auch schon Abschied von unserer Gastfamilie nehmen, die wir sehr liebgewonnen hatten. Doch jetzt stand uns ein großes Highlight der Reise bevor: Die Expis! Zusammen mit meinen fünf besten
Freunden und einem sehr netten Lehrer hatten wir eine Woche Zeit, mit einem bestimmten Budget zu machen, was wir wollten. Wir mussten nur nach einer Woche in Davide in Panama ankommen. Zuallererst zog es uns in die Hauptstadt San Jose, wo wir uns ein großartiges Appartement mieteten
und entspannten. Nach zwei Tagen und viel weniger Geld ging es weiter. Ab dann mussten wir sparen. Wir schliefen nur noch im Freien, aßen vermehrt Toastbrot und drehten jeden Cent einzeln um. Dass wir dann noch alle Magendarm bekamen, war zwar nicht sonderlich verwunderlich, jedoch auch nicht wirklich hilfreich für unsere Planung. Wir sahen super viele, für uns neue, Tiere, campten einmal fast
neben Krokodilen, fuhren auf Ladeflächen von irgendwelchen Trucks mit und hatten den Spaß unseres Lebens. Am Ende der Woche waren wir jedoch krankheitsbedingt so erschöpft, dass wir beschlossen, schon eine Nacht früher nach Davide zu fahren. Am nächsten Tag trafen wir wieder auf
die anderen Gruppen, die ähnliches Programm gehabt hatten und dann ging es wieder ab aufs Schiff.

Nächstes Ziel: Kuba! Auf der Etappe von Panama nach Kuba war auf dem ganzen Schiff Magendarm ausgebrochen (Eingeschleppt von mir und meiner Expigruppe). Im Dorm (Schlafraum) hingen Eimer die stündlich gelehrt werden mussten und der Geruch war nicht sehr angenehm. Umso erleichterter waren wir alle, als wir endlich in Kuba ankamen. Wir ankerten in der Bucht Cienfuegos und verbrachten dort die erste Woche in Kuba. Wir waren alle richtig geflashed von den ganzen alten Autos, den heruntergekommenen Häuser, leeren Supermärkten, etc. Der absolute Kulturschock
ereignete sich jedoch in der zweiten Woche, als wir eine Woche in der Hauptstadt Havanna waren. Wir waren alle verteilt über die Stadt in verschiedenen Wohnungen untergebracht. Ich war zusammen mit zwei Freunden in einer Wohnung mit einer wunderschönen Aussicht über ganz
Havanna. Wir verbrachten die Woche, indem wir immer die Stadt erkundeten oder kubanische Spezialitäten ausprobierten. Es war für mich wie in einer anderen Welt. Die Häuser sind zur Straße hin geöffnet, man wird eingeladen, bei den Leuten zu essen, es gibt nur alte Autos und noch vieles mehr, was ich gar nicht alles beschreiben kann. Nach dieser krassen und prägenden, aber auch wunderschönen Woche fuhren wir weiter nach Bermuda.


Bermuda war im Vergleich zu Kuba sehr angenehm, ruhig und zivilisiert. Überall standen bunte Häuschen, die aussahen wie von Playmobil. Auf Bermuda lernten wir die Schüler vom Partnerprojekt Ocean College kennen und hatten sogar einen Grillabend mit ihnen. Außerdem besuchten wir die Hauptstadt Hamilton, wo wir als Piraten verkleidet bei einem Charity-Event mitmachten. In der Zeit
war bei uns auf dem Schiff das Essen sehr knapp, weshalb wir ziemlich sparen mussten.

Als nächstes machten wir uns auf auf die zweite
Atlantiküberquerung. Das nächste Ziel hieß Horta, Azoren. Im
Vergleich zur ersten war die zweite Atlantiküberquerung sehr kalt, was daran lag, dass wir schon viel weiter nördlich waren.
Nach zwei Wochen kamen wir an und es war mittlerweile wieder so kalt, dass man unbedingt eine Jacke tragen musste. Die Highlights der Azoren waren für mich die Besteigung des Pico, dem höchsten Berg Portugals, das weltbekannte Peter Café Sport, eine Fahrradtour von einem Vulkan hinunter und ein Wein- und Käseabend auf einem verlassenen Haus mit meinen besten Freunden.

Und dann ging es schon in Richtung Deutschland. Auf dem Weg dahin standen jedoch zuerst die „Handover“ an bei diesen konnte man sich als Schüler für eine Stelle der Crew an Bord bewerben, um diese dann für vier Tage zu übernehmen. Ich wurde als erster Offizier gewählt, wo ich vier Tage lang den gesamten Schiffsalltag organisieren musste. Außerdem hatte ich zwei Wachen am Tag, in denen
ich das komplette Kommando über das Schiff hatte und entscheiden musste, welche nautischen Aktionen durchgeführt werden. Nach dem (erfolgreichen) Handover waren wir schon wieder im bereits durchquerten Ärmelkanal und dann in Scheveningen in den Niederlanden. Dort lagen wir drei Nächte und machten von dort auch einen Tagesausflug nach Amsterdam. In Scheveningen und auch auf dem nächsten Stopp, der niederländischen Insel Texel lernten wir jedoch den Großteil der Zeit für den Sportbootführerschein See, de wir dann, ein paar Tag von Ende der Reise auf Helgoland machten. Auf Helgoland haen wir einen ziemlichen „reverse culture Schock“. Das heißt, wir waren sehr geschockt von unserer eigenen, deutschen Kultur. Vor allem ist uns die Unfreundlichkeit vieler Menschen aufgefallen. Ansonsten waren wir ziemlich damit beschädigt, uns voneinander zu verabschieden und die restliche verbliebene Zeit zu genießen.

Und dann war auch schon der 03. Mai 2023 gekommen. Wir fuhren nach Bremerhaven ein, wo wir schon von hunderten Verwandten erwartet wurden. Es war super emotional für mich, besonders, weil ich nicht wusste, ob ich mich freuen sollte, meine Familie wiederzusehen, oder traurig sein sollte, weil ja jetzt diese unglaubliche Zeit zu Ende war. Auf jeden Fall wurden sehr viele Tränen vergossen. Nach ein paar Reden und Auftritten durften wir dann auch endlich von Bord, um zu unseren Familien zu gehen.
Und damit war die Reise ja dann zu Ende. Oder? Ich finde die Reise hat nicht aufgehört. Ja klar, diese sieben Monate, in denen ich auf der Gulden Leeuw in Karibik segle, sind vorbei, aber dennoch geht die Reise auch hier weiter. Ich habe so viele großartige und enge Freundschaften geknüpft, die hoffentlich ein Leben lang halten werden, ich habe Orte gesehen, die ich unbedingt wieder bereisen möchte, ich werde meine Freunde aus ganz Deutschland, der Schweiz und Österreich besuchen und
vor allem werden die Erinnerungen, Erkenntnisse und Entwicklungen, die ich aus der Zeit mitgenommen habe, niemals verloren gehen. Jetzt heißt die nächste Etappe der Reise erstmal „wieder einleben“ und dann bin ich gespannt, wohin mich der Wind des Lebens sonst noch so hintreibt.
Euer Freddy
Frederik Walldorf, 10a